Winterreise, 1998
Kabinett im Kunsthaus Essen
  Übersicht: Arbeiten mit Licht  
 
Modelleisenbahn,
klare Acrylglasplatten mit Klebefilmstreifen
Glühbirne
Größe der Projektionen:
380 x 600 cm
 
     
  Dirk Schlichting, von seiner Ausbildung eher von der Bildhauerei kommend, hat in den letzten Jahren des häufigeren die Medien Licht und Projektion eingesetzt, um sich verschiedenen Räumen zu nähern, oder mit seinen Arbeiten entsprechende Räume zu besetzen.
Das Besondere: Er betreibt nicht, wie in dieser Zeit oft üblich, horrenden Aufwand, um mit hochtechnischen Apparaten und gestochen scharfen, jedoch nicht selten leeren Inhalten hinterher zu eilen. Vielmehr entwickelt er, wie mir scheint mit möglichst einfachen, direkten Materialien und Umsetzungen die Apparate, wenn sie denn noch als solche zu bezeichnen sind, selbst. Diese Einfachheit ist und bleibt kein Geheimnis ,sondern sie wird für jeden sichtbar und nachvollziehbar gemacht.
Dirk Schlichtings Lichtinstallationen und Projektionen bestechen deshalb auch nicht durch brillante technische Abbildungsqualität. Sein Ziel ist es eher, die Unschärfe, das vage Erkennbare und schon fast im Verschwinden befindliche Bild als Anlass vorzustellen, um Betrachter und Begeher der Raumarbeiten auch mit seinen eigenen Bildern, den eigenen Erinnerungen und Erfahrungen zu konfrontieren. Zusammen verdichten sich diese zu einer Intensität, einer Stimmung und Atmosphäre. "Winterreise", so der Titel dieser aktuellen Lichtinstallation, die speziell für diesen Raum geschaffen wurde, weckt eine Fülle von Assoziationen. Ob man nun den gleichnamigen Liederzyklus Schuberts kennt oder sich eher an Heine erinnert fühlt, gemeinsam ist eine möglicherweise von Ihnen erwartete, und wie mir scheint hier eingelöste ,,romantische" aber vielschichtige Grundstimmung in der Arbeit. Wir betreten den kubusförmigen Raum, der selbst zum Projektor geworden ist. Die Wände als Projektionsflächen zeigen Lichtbilder wie aus einer anderen Zeit. Teils unscharf, fahlfarbig, gleichsam wie ein Gewebe aus Schatten umfangen den Betrachter Ansichten von Innen- und Außenräumen. Mit unserem Schlagschatten werden wir Bestandteile des Vorhandenen. Um die Lichtquelle (Projektionslampe) zieht ein Eisenbahnzug seine gleichmäßige Bahn und verbindet als bewegter Schatten die projizierten Bilder an den vier Wänden. Durch seine Bewegung und Geräusch fungiert er als Transportmittel auf der Reise zwischen Wahrnehmung und Vorstellung, zwischen dem vermeintlich Faktischem und dem phantasievollen Möglichen.
Der abgedunkelte Raum, die Helligkeit der Lampe, die Farbfolien, die Acrylglascheiben mit Klebeband, die einfache wie provisorische Haltekonstruktion, die Modelleisenbahn, die nackten Wände, die Lichtbilder.
Alles ist sichtbar. Es ist Winter.
Ich wünsche Ihnen eine gute Reise

C. Paulsen

(aus der Eröffnungsansprache anlässlich der Ausstellung im Kabinett des Kunsthauses Essen)

 
     
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