Recklinghausen
kleine Kirche, 1999

anlässlich der Ausstellung: Übergänge

weiterer Ausstellungsort: Pforzheim 2001
anlässlich der Ausstellung: Kunst im Stadtbild

 




Übersicht: ortsbezogene Arbeiten

 
  Holz, mit Kunststoff überzogen
Maße (h x b x t): 270cm x 170cm x 320cm
     
         
  Wenn ich jemanden auffordern würde, eine Kirche zu malen, bekäme ich wahrscheinlich ein Bild, auf dem ein Gebäude mit Hauptschiff , Rundbogenfenstern und einem Turm zu sehen wäre, eine allgemeine Übereinkunft.Ich habe eine solche Kirche gebaut, keine traditionelle, sondern eine, die auf den ersten Blick als Kirche erkennbar ist, mit Hauptschiff, drei Rundbogenfenstern und Turm, und allen Passanten, die auf dem Rathausplatz auf die Kirche gestoßen sind, war sofort klar, dass es sich bei diesem kleinen Gebäude um eine Kirche handelt. Aber auch, wenn das Aussehen auf den ersten Blick eindeutig zu sein schien, so war für die Passanten die Bedeutung und die Nutzung des Gebäudes unklar. Von der Form her eindeutig, vermittelte sie vom Eindruck her etwas zwischen einem vergrößerten Modellbausatz einer Spielzeugeisenbahn und Mini-Fahrgeschäften für Kinder, wie sie vor zahlreichen Geschäften stehen.
Die Kirche war zu klein, von der Materialität fremd, kein Stein, nichts Kantiges, sondern „glänzende abgerundete Kunststoffoptik“; nichts Dauerhaftes „Heute morgen stand die Kirche aber doch noch nicht da“, sondern auf einmal da und nach Ausstellungsdauer wieder verschwunden.
Die Kirche behauptete nicht, Kunst zu sein, keine Legende verwies auf den Zusammenhang und so gab es viel Raum für unterschiedliche Deutungen: „Soll die hier gebaut werden?“, „Hier stand früher, glaube ich, so eine Kirche, “ Kinder klopften an die Türe und versuchten durch die Scheiben, den Innenraum zu erkennen oder die Kirche zu erklettern. Andere sahen in der Kirche die Betonung eines zentralen Platzes: „Neue Mitte Recklinghausen?“. Ein Radiosender wurde neugierig, er startete eine Umfrage bei Einwohnern, Stadtverwaltung, Bürgermeisterbüro und Kunsthalle, was das kleine Gebäude auf dem Rathausplatz sei, am Schluß die Auflösung durch die Ausstellungsleiterin:„Das ist ein Kunstwerk!“.  „ Ah ja, vielen Dank.“
Für die Kirche ergaben sich während des Ausstellungszeitraumes verschiedene Zusammenhänge; mal war der Platz leer und der Teil des Rathausplatzes, auf dem die Kirche stand, konnte auch als Kirchplatz gesehen werden. An zwei Tagen in der Woche wurde die Kirche von Marktständen umlagert, am verkaufsoffenen Sonntag stand sie inmitten eines  auf dem Platz veranstalteten Automarktes und während des  9.9.99 begleitete sie im Hintergrund die „Massenhochzeit“ am benachbarten Standesamt.

Aber ehe sie den Einwohnern Recklinghausens ein vertrautes, schönes Stück geworden ist, wird sie abgebaut und ist vielleicht bald in einer anderen Stadt zu sehen, bildet für einen begrenzten Zeitraum ein neues Zentrum oder steht ganz beiläufig am Straßenrand.

Dirk Schlichting, 1999

 
     
     
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